Unsere aktuelle Andacht
Andacht zum 3. Sonntag nach Trinitatis
von Pfarrer Roman Hartmann
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes. Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde
gemacht hat.
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig
zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19, 10), heißt es im Wochenspruch zum 3. Sonntag
nach Trinitatis, mit dem ich Sie herzlich zu dieser Andacht begrüße. Alle
Menschen sind in Gottes Haus willkommen. Alle sind eingeladen, allen geht Gott
nach. Als christliche Gemeinde sind wir keine Gemeinschaft der besonders guten
und frommen Menschen, sondern derer, die sich allesamt die Liebe Gottes nicht
verdienen können, sondern sich schenken lassen müssen.
Lasst
uns mit Worten aus Psalm 103 sprechen:
Wie
sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn
fürchten.
(Psalm 103,13)
Barmherzig
und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er handelt nicht mit uns
nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. Denn so hoch der
Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn
fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von
uns sein.
(Psalm 103, 8. 10-12)
Lasst
uns beten:
Barmherziger
Gott, du gibst niemanden von uns verloren. Du machst dich auf die Suche nach
uns und lässt dich nicht aufhalten, bis du uns gefunden hast. Du freust dich,
wenn du uns findest. Schenke, dass deine Freude ansteckend wirkt, und wir uns
einladen lassen zu deinem Fest, hier schon und in Ewigkeit.
Amen
Der Predigttext
steht im Evangelium bei Lukas, 15, 1-10
Es nahten
sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und
die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst
mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist
unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht
die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s
findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller
Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht
zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren
war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der
Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Oder
welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht
ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und
wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und
spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den
ich verloren hatte. So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über
einen Sünder, der Buße tut.
Liebe
Leserinnen und Leser!
Das
letzte, das ich verloren habe, erst zehn Tage ist das her, war die Augenmuschel
meiner Kamera. Das ist so ein kleines, schwarzes Gummiteil, das vor den Sucher
der Kamera gesetzt ist, damit sich das Auge nicht direkt auf das Glas setzt.
Verloren hatte ich die Augenmuschel irgendwo auf dem Weg zwischen meiner
Haustür und dem Museum nebenan. Verwundert war ich darüber nicht, denn dieses
Teil sitzt schon seit einiger Zeit recht locker an der Kamera und gehörte
eigentlich ausgetauscht. Aber in solchen Dingen bin ich irgendwie eigen. Ja, da
habe ich einen richtigen Spleen. Von Anfang an war diese Augenmuschel bei der
Kamera mit dabei und gehört zu ihr. Sie ist nicht kaputt und tut ihren Dienst
und wird darum nicht ausgetauscht. So gut es eben geht, passe ich auf sie auf,
bis sie irgendwann vielleicht doch mal auf immer verloren geht. Dieses Mal habe
ich sie wiedergefunden. Zu Gute kam mir, dass der Suchbereich eingegrenzt war.
Ähnlich wie bei der Suche nach dem Silbergroschen aus dem Gleichnis von der
Frau, das Jesus erzählt. Irgendwo im Haus musste er sein, der verlorene
Silbergroschen. Da stehen die Chancen des Wiederfindens gut. Ich bin den Weg
zwischen meiner Haustür und dem Museum gut zehnmal abgelaufen, bis ich dieses
kleine, schwarze Teil dann doch schließlich irgendwo auf der Wiese am Wegesrand
sah. Und mein Herz hat in diesem Moment tatsächlich auch einen Hüpfer gemacht.
Es hatte mich gefreut. Ganz sicher wäre ich den Weg auch noch zehnmal mehr
abgegangen und hätte es auch am nächsten Tag noch probiert.
Kennen
Sie so etwas auch? Die Freude über etwas Wiedergefundenes? Die Mühen der Suche
danach. Für Dinge auch, die eigentlich keinen großen materiellen Wert haben,
mir selbst aber doch ganz viel bedeuten? Und haben Sie auch die Freude in
Erinnerung, darüber, es schließlich dann doch wiedergefunden zu haben?
Jesus
erzählt zwei Geschichten, in denen es um das Verlieren und Wiederfinden geht.
Anders wohl als mit meiner 3,99.- € Augenmuschel stellt in diesen Geschichten
das Verlorene einen erheblichen Wert dar. Ein Silbergroschen entspricht etwa
einem Tageslohn. Das ist für die damalige Zeit mit seinen unsicheren
Arbeitsverhältnissen eine Summe, die nicht zu unterschätzen ist, so dass die
Frau nicht zu sich sagt: „Egal um den einen Silbergroschen, ich habe ja noch
neun.“ So wie wir nach dem Abheben von zehn hundert Euroscheinen am
Bankschalter und einer späteren Feststellung, dass da einer fehlt, wohl auch
nicht sagen würden: „Egal, ich habe ja noch neun.“ Nicht anders verhält es sich
um den Wert eines verlorenen Schafes. Auch heute würde kein Schäfer sagen:
„Egal, meine Herde ist groß.“ Welcher Mensch unter euch würde also nicht auf
die Suche gehen, auf diese Eingangsfrage Jesu zu seinen Beispielen würden ihm
alle, ohne groß zu überlegen, ihre Zustimmung geben. Natürlich würden wir suchen
gehen! Auch im Hinblick auf die 99 Schafe, die ich dann für eine Weile allein
in der Wüste den dort lauernden Gefahren aussetzen müsste. Für das eine Schaf,
das sich verloren hat, ist es das wert. Auch das will Jesus mit seinen
Zahlenverhältnissen 1 und 10, sowie 1 und 100 zum Ausdruck bringen. Die oder
der eine ist es allemal wert. Es soll nichts verloren gehen. Durch die zehn und
die hundert erst ist es komplett. 9 und 99 heißen, eines fehlt.
Erzählt
von Gottes unermüdlicher Suche nach dem Verlorenen und seiner Freude über das
Wiederfinden hat Jesus diese Gleichnisse den Pharisäern und Schriftgelehrten,
die sich darüber ärgerten, dass er sich so viel Zeit für die Zöllner und Sünder
nahm, sogar mit ihnen zu Tisch saß und mit ihnen aß. Wenn es in den Evangelien
„Zöllner und Sünder“ heißt, dann sind Menschen mit zweifelhaftem Lebenswandel
gemeint. Menschen, die keiner hier von uns als Schwiegertochter oder
Schwiegersohn haben wollte. Ihnen widmet Jesus seine Zeit und er freut sich,
dass sie seine Nähe suchen.
Liebe
Gemeinde,
an dieser Stelle nun, wo ich den Anknüpfungspunkt, die Aktualisierung
des Predigttextes für uns heute finden möchte, da wird es nun für mich
schwierig. Als welche sollen wir uns von Jesus angesprochen fühlen? Als
Pharisäer oder als Zöllner? Beides wäre möglich. Auch wir können Verlorene
sein. Das muss ja nicht gleich kriminell heißen. Aber Menschen, die die
Orientierung im Leben verloren haben, die sich verirrt haben, das könnten auch
wir sein. So manches wirft Menschen ja aus der Bahn. Der Verlust des
Arbeitsplatzes, eine Ehescheidung, eine schwere Krankheit. Das Leben
verflüchtigt sich. Es zieht uns den Boden unter den Füßen weg und nicht immer
fangen wir uns oder fangen uns andere auf. Da finde ich es tröstlich zu wissen,
dass Gott uns nachgeht, auch dann uns sucht, uns finden möchte, dass wir dort
wieder unseren Platz finden, wo das Leben ist und es uns gut geht. Die ganze
Bibel ist ja im Grunde voll davon, dass sie erzählt, wie sich Gott auf die
Suche nach uns macht. Selbst dann, wenn ich ganz unten bin, einsam und verloren
in einem dunklen Winkel im Haus, verloren und verirrt in lebensfeindlicher
Wüste, darf ich wissen, Gott sucht nach mir und ich darf mich von ihm finden
lassen.
Erzählt
aber hat Jesus diese Gleichnisse den Pharisäern und Schriftgelehrten, weil
ihnen dessen Zuwendung zu den Zöllnern und Sündern missfiel. Fühlen wir uns da
auch angesprochen? Könnten wir auch Pharisäer sein? Solche, die darüber murren,
wenn Jesus die Verirrten und Verlorenen sucht. Solche, die sich nicht mit ihm
freuen können, wenn diese Verirrten gefunden oder wieder gefunden werden? Nein,
das würden wir von uns weisen. Natürlich würden wir uns freuen. Warum denn auch
nicht? Wie aber sieht es aus, wenn es konkret wird?
Warum
eigentlich murrten die Pharisäer? Durchaus denkbar ist, weil sie der Auffassung
waren, die Zöllner und Sünder sind es nicht wert.
Denkbar
ist aber auch, sie murrten, weil sie neidisch waren, weil sie sich
zurückgesetzt fühlten. Wir sind es gewohnt „Pharisäer“ als Schimpfwort zu
hören. Gleichbedeutend mit heuchlerisch und überheblich. Im Grunde aber waren
sie die, die wirklich mit Einsatz versuchten, gottgerecht zu leben, es recht
und es gut zu machen. Es waren Menschen von der Art, die wir uns gut als
Schwiegertochter oder Schwiegersohn vorstellen könnten. Die nun erleben, wie
sich Jesus um die Zöllner und Sünder bemüht. Seine Zeit mit ihnen verbringt.
Mehr für diese tut als für sie.
Zwei
Gedankenspiele, wo es auch für uns konkret werden könnte.
Erster Gedanke.
Wenn
wir demnächst hoffentlich endlich wieder regelmäßig zusammen kommen dürfen,
werden wir uns im Presbyterium und den Ausschüssen damit beschäftigen müssen,
wo und wie wir unsere Arbeit und Angebote auch anders gestalten müssen. Viele
und immer mehr erreichen wir mit dem Altbewährten schon lange nicht mehr.
Gezielt auf sie zugehen, dabei Neues wagen, Dinge auch ganz anders machen, für
ausgeschlossen halte ich es da nicht, dass es da zu Ergebnissen kommen kann,
über die sich alle nicht nur nicht freuen, sondern über die auch ein großes
Murren werden kann. Und was, wenn dafür auch noch manches Liebgewonne
eingestellt wird, weil es knapp an Ressourcen ist und nicht alles getan werden
kann?
2.
Gedanke - Gedankenspiel.
Der Pfarrer kündigt an, dass er sich demnächst mehr
um die Fernen kümmern möchte und darum um Verständnis wirbt, dass er erst
einmal mit den Besuchen zum Geburtstag aussetzen wird. Würde darüber
allenthalben Freude sein?
Jesus
wirbt darum, sich mit ihm zu freuen. Niemand soll verloren gehen. 9 und 99
heißen, eines fehlt. Erst durch die zehn und die hundert wird es komplett. Auf
diesem Weg lädt er uns ein, mit ihm zu gehen.
Amen
Lasst
uns beten:
Suchender
Gott, es ist eine Gnade, von dir gefunden zu werden, wenn wir uns verlieren.
Wir bitten für unsere Mitmenschen, die sich verlieren in der Unzufriedenheit
mit sich selbst, in der Angst vor der Größe der Aufgaben, in der bedrückenden
Einsamkeit, in einer bedrohlichen Krankheit, in einem schmerzhaften Verlust.
Geh ihnen nach, Gott, finde sie. Erfülle sie mit deinem Geist, dem Geist der
Barmherzigkeit und der Ermutigung, dem Geist der Überwindung und des Trostes.
Finde sie, damit sie zu dir finden können, und richte sie auf zu einer neuen
Hoffnung in dir.
Mit den Worten deines Sohnes, Jesus Christus, beten wir:
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen
Mit Gottes Segen lasst uns in die kommende Woche gehen:
Der Herr segne dich und behüte dich!
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei dir gnädig!
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!
Amen
Eine gute kommede Woche wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Roman Hartmann
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